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Business Canvas

BUSINESS CANVAS – DIGITALISIERUNG IM BLICK

Digitale Transformation trifft immer mehrere wenn nicht alle Organisationsbereiche, denn eine isolierte Lösung wird nie weiter reichen als ihre analoge Vorlage. Daher ist eine Business Canvas als Tableau, das alle Organisationsbereiche in einer Übersicht vereinigt und ihre gegenseitige Wechselwirkung aufzeigt, der ideale Ausgangspunkt für die Betrachtung, Entwicklung und Diskussion von Projekten zur Digitalisierung. Wer nach Kochrezepten für die digitale Transformation sucht, dem hilft eine Business Canvas zur grundsätzlichen Orientierung in der Vielzahl der Möglichkeiten.

Entgegen ihrer Bezeichnung ist eine Business Canvas nicht nur für Unternehmen sinnvoll und nützlich. Das Tableau ist auch auf andere Organisationsformen übertragbar. Was darin Zahlungsströme abbildet, kann auf jede andere Form der Wertschöpfung, des Austausches oder der Zuwendung bezogen werden. Kunden lassen sich als Anwender, Patienten, Mandanten, Zuschauer oder Mitglieder sehen. Schlüsselressourcen, -aktvitäten oder -partnerschaften können in privaten Organisationen ebenso wie in der öffentlichen Verwaltung identifiziert werden. Das zentrale Wertangebot, das aus unternehmerischer Perspektive schon Dienstleistungen bewusst mit einschließen will, kann jede Form von wirtschaftlichem Output bis zur Wohltätigkeit bezeichnen.

Mit dem 2010 veröffentlichten Buch Business Model Generation und der darin enthaltenen Business Canvas Methode haben Osterwalder und Pigneur nicht nur einen Bestseller gelandet, sonder auch ein Tableau der kreativen Unternehmensentwicklung eingeführt. Ihr Konzept stützt sich auch auf Studien an der Hochschule St. Gallen zu 55 prototypisch-erfolgreichen Geschäftsmodellen der letzten Hundert Jahre. Sofern man sich einmal mit dem Tableau vertraut macht, ist die Business Canvas hervorragend geeignet, um in Meetings und Workshops schnell Ideen zur Gesamtorganisation zu skizzieren und sich darüber mit anderen auszutauschen. Die Stärke liegt in der visuellen Aussagekraft des Tableaus, was aber natürlich nicht einen solide aufgebauten Businessplan ersetzen kann.

BEISPIEL SOCIAL MEDIA

Nehmen wir eine Organisation, die sich für den Start in Social Media entscheidet. An diesem Beispiel lässt sich die Arbeit mit einer Business Canvas überschaubar erläuteren und aufzeigen, welche Einflüsse der Schritt in Social Media auf andere Organisationsbereiche hat. Die Synchornisation mit betroffenen Organisationsbereichen lässt sich hervorragend anhand einer Business Canvas reflektieren:

1 KUNDENSEGMENTE

Ein durchaus gewünschter Effekt von Kommunikation via Social Media ist es, neue Kunden oder Interessenten anzusprechen. Oftmals überraschend ist allerdings, das dies nicht einfach zu steuern ist und Beiträge nicht immer so aufgefasst werden wie gemeint.

Feedback auf eine authentische Kommunikation kommt von vielerlei Seite. Welcher Art die interne Segementierung ist, ob demografisch, nach Bedarfen, Ausbildung oder Verarbeitungstyp, wird dem Empfänger der Nachricht egal sein. Aufgrund der breiten Streuung und weltweiten Verfügbarkeit kann es sein, dass nicht nur zahlenmäßig mehr Menschen einen Beitrag bemerken und damit von der Organisation und ihrer Tätigkeit erfahren, sondern dies auch in viel größerem geographischen Radius der Fall ist.

Die Kontaktaufnahme via Social Media führt dann dazu, dass auch in anderen Bereichen der Organisation neue Anforderungen entstehen. So stellen sich für den Vertrieb – respektive die Schlüsselaktivitäten der Organisation – die Frage, wie überregionale Lieferungen möglich wären oder für den Vorstand des Heimatvereins, wie mit Nachfahren einer Auswandererfamilie umzugehen. Beide Fälle könnten wiederum nächste Schritte der Digitalisierung dieser Organisationen einläuten – hier vielleicht den Online-Handel mit weltweiter Sendungsverfolgung, dort das international einfach nutzbare Online-Bezahlverfahren für den Mitgliedsbeitrag.

2 KANÄLE UND EINNAHMEQUELLEN

Allein durch den Start von Social Media Aktivitäten ist meist keine Eröffnung eines neuen Vertriebskanals, eines neuen Weges gemeint, die Wertangebote einer Organisation zu verbreiten. Das kann sich aber schnell ändern, wenn z.B. Influencer auf den Plan treten, sich ein Angebot unversehens in einer neuen Community wiederfindet und auf einmal völlig anderen Nutzen als geplant stiftet (Stichwort: Gartenmöbel aus Euro-Paletten).

Genauso kann es sich mit zusätzlichen Einnahmequellen verhalten. Wurden durch eine gemeinnützige Organisation bislang nur zur Weihnachtszeit einmalige Spenden eingeworben, kann die dauernde mediale Präsenz auf Social Media dazu führen, dass sich Fördernde zu kontinuierlichen Spenden bewegen lassen. Ein produzierendes Unternehmen mag durch Social Media darauf aufmerksam werden, dass neben dem Verkauf auch Installation, Wartung oder Reparatur weitere Einnahmequellen sein könnten – zumal diese sich online bzw. digital kostengünstig aufstellen lassen.

3 WERTANGEBOTE

Wertangebote sind nicht einfach die Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens, die Absperrung eines Umweltschutzvereins bei der Krötenwanderung oder die gemeinschaftlich genutzte Wasserversorgung eines Kleingartenvereins. Vielmehr ist damit das komplette Nutzenpaket gemeint, dass eine Organisation erbingt: die Lösung von Problemen für den Anwender, der Schutz der Natur oder die Schaffung einer sozialen Gemeinschaft. Durch ihr spezifisches Wertangebot unterscheidet sich so gut wie jede Organisation von einer anderen, selbst wenn sie im gleichen Metier tätig sind.

Der Schritt in die Digitalisierung via Social Media kann nun helfen, den eigentlichen Wert des Angebots aus Sicht des Anwenders oder Kunden besser zu verstehen. Das kann zu Optimierungen des Angebots führen, kann helfen, sich von Fragestellungen zu lösen, die eher in die Irre führen, und mag im schlechtesten Fall elementare Abweichungen von Selbstbild und Fremdbild aufzeigen.* Social Media kann dazu genutzt werden, sich diesen Fragen zu stellen, im Diskurs mit den Interessenten – die nicht notwendig mit Nutzern oder bestehenden Kundensegmenten gleichzusetzen sind – mehr über sich selbst zu erfahren und geeignete Schritte zu finden, Selbstverständnis und Außenwahrnehmung besser zur Deckung zu bringen.

Die geänderte Wahrnehmung wird so nicht nur zur Reorganisation der Bausteine des Wertangebots führen, sondern kann bis in die strategische Ausrichtung der Organisation reichen. Schließlich kann die Kommunikation via Social Media auch selbst Teil des Wertangebotes werden. Sie kann in einem Verein das Gemeinschaftsgefühl steigern, die Nutzungs eines Produkts zur Challenge in einer Anwender-Community werden lassen oder helfen, komplexe Angebote, die bislang als nicht vermittelbar galten, ganz einfach von Mensch zu Mensch erläutern.

4 SCHLÜSSELAKTIVITÄTEN

Zu den Schlüsselaktivitäten einer Organisation gehören die zentralen Tätigkeiten, die zum Erhalt des Geschäftsbetriebs notwendig sind. Nehmen wir an, dass in unserem Beispiel Marketing und Vertrieb die treibenden Größen der Organisation sind und deren Tätigkeit zu den Schlüsselaktivitäten zu zählen sind. Durch den Start in Social Media Kanälen müssen ggf. diese Organisationsbereiche ihre Aktivitäten und Prozesse überdenken.

Zum einen ist da das Marketing und PR: sofern sie dem klassischen Outbound-Marketing, dem reinen Senden von Botschaften verhaftet sind, werden diese Abteilungen ihre interne Abläufe ändern müssen. Die Botschaften sollten nun nicht mehr nur werblicher Natur sein, sondern authentisch und auf einen breiten Fächer an Interessenten, nicht nur auf potentielle Käufer abgestellt werden. Auch muss damit gerechnet werden, dass Empfänger der Botschaften antworten, Fragen stellen oder eine Diskussion von, über und mit dem Unternehmen beginnen, die nicht mehr gelenkt ist. Gerade das ist die Stärke der gewählten Kanäle. In Marketing und PR setzt dies aber voraus, dass nicht jede Reaktion über die langsame Freigabe-Prozeduren laufen kann und nicht alle Anfragen einfach zum Vertrieb oder in die Reklamationsabteilung „durchgestellt“ werden können. Im Idealfall werden Marketing und PR an den Vertrieb nur noch qualifizierte Leads, deren kommende Kaufentscheidung bereits absehbar ist, übergeben und die entsprechenden Daten im CRM hinterlegen.

Zum anderen wird auch der Vertrieb mit geänderten Verhalten konfrontiert. Diese Abteilung wird sich langfristig daran gewöhnen müssen, nicht mehr über das Informationsmonopol zu Marktgeschehen und Kundenwünschen zu herrschen. Einträge des Marketing im CRM vorzufinden, dürfte ebenfalls im Beginn sehr befremdlich sein – aber wie sonst sollte ein qualifizierter Lead übergeben werden? Jedenfalls nicht per Email-Weitwurf. Durch die teilweise Verlagerung der Geschäftsanbahnung ins Marketing dürften im Vertrieb auch Ressourcen freigesetzt werden. Diese ließen sich wertvoll in eine verbesserte Kundenbindung oder den Ausbau bestehender Kontakte investieren.

Schließlich können die Veränderungen noch weitere Abteilungen tangieren. Auch von der Organisationsleitung wird zumindest mehr Vertrauen in die Mitarbeiter abverlangt werden, die nun im eigenen Namen persönlich und authentisch für die Organisation nach außen auftreten.

BUSINESS CANVAS – EIN INSTRUMENT DES CHANGEMANAGEMENT

Wie auch immer sich die Sachverhalte in der einzelnen Organisation darstellen: es wir helfen, sich die Wirkung einzelner Maßnahmen zur Digitalisieurng bewusst zu machen und anhand einer Business Canvas in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. So lassen sich auch Abteilungen einbeziehen, die sich bis dahin nicht als Betroffene gesehen haben oder für die derartige Betrachtungen eher ungewohnt sind.

Gassmann, Oliver; Frankenberger, Karolin; Csik, Michaela (2021): Geschäftsmodelle entwickeln. 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator, 3. Aufl., München: Hanser Verlag.

Osterwalder, Alexander; Pigneur, Yves (2011): Business Model Generation. Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. Unter Mitarbeit von J. T. A. Wegberg. Frankfurt, New York: Campus Verlag.

*Der Effekt wird übrigens nur durch Social Media gefördert, nicht erschaffen wie z.B. eine Untersuchung von Fachzeitschriften und Leserbriefen zu älteren Baureihen des VW Golf eindringlich vor Augen führt: Friedemann, Michael (2012): Markenhistorie aus diskursanalytischer Sicht. Implikationen für die Markenpositionierung. Zugl.: Oldenburg, Univ., Diss., 2012. Berlin: Logos-Verl. AutoUni-Schriftenreihe; 30.

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