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Prototypenbau

BAUSTEIN FÜR AGILES ARBEITEN

Der Prototpyenbau ist eng mit agilen Arbeitsweisen wie Scrum und Design Thinking verbunden. Es geht darum, in einer frühen Projektphase mit reduziertem Aufwand konkurrierende Ideen auszuprobieren, neue zu generieren, eine Visualisierung zu schaffen, eine Illusion oder ein Erlebnis zu vermitteln. Der Prototyp kann dabei vom einfachen Pappmodell bis zum 3D gedruckten millimetergenauen Abbild verstanden werden. Entscheidend ist, dass eine Inspiration von ihm ausgeht. Er sollte die Vision des Projekts unterstützt und eine Vorahnung auf das fertige Ergebnis vermittelt werden.

Gerade für die Entwicklung von Software-Anwendungen, von Cloudlösungen, mobilen Apps, KI, Sprachsteuerung und vielen digitalen Technolgien lohnt es sich, in einem frühen Projektstadium einen Prototypen einzusetzen. Er eignet sich für eine kurze Testphase, in der Grundfunktionen überprüft werden sollen. Wichtig ist aber auch der Lerneffekt seitens der zukünftigen Anwender. Nach kurzem bis mittelfristigem Einsatz eines Prototyen ändern sich oftmals die Anforderungen an die spätere Lösung grundlegend und es können teure und umständliche Entwicklungsschleifen vermieden werden.

DIGITALE PROTOTYPEN

Digitale Prototypen warten mit einem besonderen Vorteil auf: im Rahmen von Cloudangeboten, Entwicklungsumgebungen für mobile Apps oder Low Code Plattformen finden sich oftmals mehrere Hundert, teils sehr mächtige vorgefertigte Funktionen. Es ist daher recht einfach, gerade scheinbar besonders komplexe Anforderungen relativ einfach für einen Prototypen umzusetzen. Ein Login über Social Media Accounts, Eingabeformulare mit Datenspeicherung, Verknüpfungen zu anderen Systemumgebungen und vieles mehr müssen nicht neu gedacht oder entwickelt werden. Sie sind „von der Stange“ erhältlich und in kurzer Zeit zu einem Prototypen zusammengestellt. Der hierfür anzusetzende Aufwand wird durch spätere Einsparungen, ein genaueres Briefing für die finale Lösung, die verbesserte Projektplanung und das nutzeroptimierte Handling um ein Vielfaches zurück gewonnen.

Wie stark und an welchen Stellen ein Prototyp, ein Modell, ein Muster oder eine Simulation vereinfacht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wer bekommt den Prototyp zu Gesicht? Was soll damit angefangen werden? Welche Ergebnisse werden für den nächsten Projektschritt benötigt? In welcher Phase befindet sich das Projekt? Welche technischen Eigenschaften sollen geprüft werden? Ein Stapel Karteikarten kann ausreichen, um die Abfolge von App-Screens zu vermitteln. Ein Pappmodell, Schaumstoffe oder andere Gebinde vermittelt Form, Volumen und Proportionen. Dioramen simulieren Betrachterperspektiven, ein Daumenkino Abläufe und Handlungen. Handgeformte Werkstoffe beantworten Fragen zur Festigkeit oder Mechanik.

Die radikale Konzentration auf eine Kategorie, auf einen Aspekt, ist vorteilhaft, manchmal unumgänglich. Mal steht die Erscheinung im Mittelpunkt, mal die Bedienung, mal die Funktion. Werden mehrere Aspekte zugleich angesprochen, verwässert das Ergebnis. Testpersonen werden verunsichert oder sind unkonzentriert. Bewertungen nehmen Matrixform an. Besteht der Prototyp in der einen, klaren Kategorie, dann ist in diesem Punkt auch der richtige Weg eingeschlagen. Der nächste Schritt kann folgen.

Durch die Digitalisierung ist das Spektrum verfügbarer Technologie für den Bau physischer Prototypen erheblich vielfältiger geworden. Lasertechnik, 3D-Druck, Fräsen, Gussverfahren: mit diesen Mitteln lassen sich hochpräzise Prototpyen schaffen, die in machen Fällen kaum noch vom fertigen, angestrebten Ergebnis zu unterscheiden sind. Doch Vorsicht: mit fortschreitendem technischen Aufwand wird auch immer eine Festlegung nach den Möglichkeiten der Mittelwahl erfolgen. Prototypen dieser Güteklasse sind gut für späte Projektphasen und zur Vorlage bei Entscheidern geeignet. Einen freien kreativen Prozess, die Integration radikal neuer Eigenschaften oder den Vergleich von vier oder fünf konkurrierenden Ansätzen – deren Fusion vielleicht das beste Ergebnis wäre – lassen solche Verfahren oftmals nicht mehr zu.

PERFEKTIONISMUS VERSUS ENTWICKLUNGSTEMPO

Der Prototypenbau ist immer auch Spiegel für die herrschende Oganisationskultur. Seine Form der Vereinfachung zum Zweck des Tempogewinns, der Konkretisierung und zum gegenseitigen Austausch lässt Raum für Missverständnisse, trifft unter Perfektionisten auf direkte Ablehnung und schafft Angriffsfläche für Anhänger gegenteiliger Meinung. Je weiter der Wurf, je nötiger der Prototypenbau, um so dynamischer und konträrer wird die politische Konstellation um ein Projekt sein. Aber ein Projekt- und Etwicklungsteam kann nicht dauerhaft in einem Rückzugsraum agieren; es muss nach außen offen bleiben und sich möglichen Konflikten stellen, wenn das Ergebnis Erfolg haben soll. Es ist immer besser, eine offene Oganisationskultur einzufordern, als den Prototpyenbau mit unnötigem Ballast zu beschweren.

Auf Pitches, Crowdfunding Runden, Investorentreffen, zu Produktstages und Entscheidungsrunden haben Prototypen allerdings nichts verloren. Hier werden professionelle, ausgefeilte Modelle und Muster erwartet. Nichts ist schädlicher, als Vorführmodelle, deren Funktion versagt, die bei unsachlicher Handhabung auseinander fallen oder denen gar ein Verletzungsrisiko innewohnt. Auch wenn das Entwicklungsteam den zentralen Schlüsselmoment mit diesem Prototypen verbindet: auf einer solchen Veranstaltung hat er nichts zu suchen. Maximal gehört dieser Prototpy dann in eine Vitrine, als Relikt, als Asservat, als Ausgangspunkt des Storytellings.

Müller-Roterberg, Christian (2020): Design Thinking für Dummies (ein Problem verstehen und definieren : richtig beobachten, Ideen finden und bewerten : einen Prototypen entwerfen und testen), Weinheim: Wiley-VCH Verlag.

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